#26 - Direkt von der Lippe

Eine Lektion über den Ansatz auf der Holzflöte

Diesmal schiesst Skip Healy wieder direkt von der Lippe. Dieser Tipp wurde von einer Frage inspiriert, die mir Bill Goelz geschickt hat.

Bill kam vor einiger Zeit mit einer Frage zu meinem Ansatz zu mir. Auf verschiedenen Fotos stellte er fest, dass meine Flöte sich auf dem fleischigen Teil meiner Unterlippe befindet, und nicht unter der feinen Linie, in der sich Unterlippe und Kinn treffen (was bei vielen Flötenspielern eine weitere gängige Position ist). Bill wollte wissen, wie, warum und ob er das auch tun sollte.

Also lasst es uns tun...

Bills Beobachtung ist richtig. Ich lege die Flöte beim Spielen auf den fleischigen Teil meiner Lippe und empfehle diese Position auch meinen Schülern. Wenn die Flöte unter der Unterlippe positioniert wird befürchte ich, dass ein Teil der Lippe die Rückseite des Anblaslochs abdeckt (wenn nicht sogar in sie hineingeht).

Einige Leute finden es einfacher, auf die erste Art zu spielen, was sie aber tatsächlich tun, ist die Größe des Ansatzlochs zu reduzieren, indem Sie einen Teil davon abdecken. Dadurch wird das Ansatzloch von vorne nach hinten enger und der Luftdruck wird künstlich erhöht, wodurch weniger Luft in die Flöte gelangt.

Ein kleinerer Luftstrom bedeutet jedoch auch weniger Leistung und Dynamik. Es besteht zudem auch die Möglichkeit, der Verstärkung des  "Ansatz-Zischens". Ist es in dieser Position einfacher, einen Flötenklang zu erzeugen? Ja. Aber ihr schränkt mit diesem Ansatz auch euer Potenzial als Musiker ein!

Flöten sind eigentlich nur eine Reihe von physikalischen Grössen. Wenn die Flöte sorgfältig und durchdacht konstruiert ist, erzeugen diese Grössen zusammen einen bestimmten Klang, wenn die Menge "X" Kraftstoff (Luft) in die Kammer gedrückt wird. Die Kammer ist ein Hohlraum (die Bohrung), der eine berechnetes Volumen und eine bestimmte Länge hat, um eine bestimmte Tonhöhe zu erzeugen, wenn die Resonanzkammer (der mit den Fingern geschlossene Teil des Flötenrohrs) mit Luft gefüllt ist. Die Größe des Ansatzloches wird so berechnet, dass eine genaue Kraftstoffmenge in diese Kammer fließt, wobei Tonlöcher von exakter Größe und Anordnung den komprimierten Kraftstoff (die Luft) an genauen Stellen abgeben. Die Schwingungen der Luftröhre, die durch die Finger verlängert oder verkürzt wird, erzeugen die Töne, die wir hören.

Indem Ihr die Größe des Ansatzlochs verringert, verfälscht ihr physikalischen Grössen. Es ist so, als hätte man eine teilweise verstopfte Kraftstoffleitung im Automotor. Das Fahrzeug wird eine Weile fahren, aber nicht sehr gut.

Wenn ihr die Tonlöcher ordnungsgemäß entlüftet (siehe Skip's Tipp Nr. 11 - Loslassen, Loslassen) und das gesamte Ansatzloch verwendet, erhaltet ihr den optimalen Luftstrom. Gleichzeitig könnt ihr jetzt den bestmöglichen Klang und das bestmögliche Lautstärke erzielen.

Natürlich ist es schwieriger zu versuchen, alles möglichst optimal zu tun (im Gegensatz zum Mindeststandard). Mit etwas Übung könnt ihr jedoch sehr unterschiedliche Lautstärke- und Klangfarben erzielen. Das A und O dabei ist, dass ihr die Kontrolle über die Flöte habt und nicht umgekehrt.

Und zu guter Letzt hilft ein guter Ansatz auch zu verhindern, dass der Spieler die Lippen aufbläst, was ebenfalls einen weniger vollen Ton erzeugt.

Ich hoffe das alles macht Sinn. Solltet ihr noch Fragen haben wisst ihr alle, wo Ihr mich finden könnt!